Aus der Bibliothek von Prof. Wolfgang Haase, langj�igem Herausgeber der ANRW und des International Journal of the Classical Tradition (IJCT). - Beschmutzter und beriebener sowie leicht klaffender Einband. Ansonsten im sehr guten Zustand. - Inhalt: Es ist guter Brauch, einen angesehenen und produktiven Gelehrten zu einem bestimmten Zeitpunkt durch eine Sammlung seiner �kleinen� Schriften zu ehren. Auch der hier vorliegende Band verdankt seine Entstehung diesem Brauch, insofern er eine Reihe von Abhandlungen aus der Feder des Konstanzer Latinisten Peter Lebrecht Schmidt enth� und seinen Anla�aus dem Ausscheiden des Gelehrten aus seiner Professur zieht. Indes unterscheidet sich dieses Buch von den �blichen Sammlungen dadurch, da�es nicht allein die Summe einer pers�nlichen Forschungsleistung zieht, die in bestimmten Spezialgebieten des Verfassers ihren Ausdruck findet. Vielmehr kommt hinzu, da�mit den hier versammelten Arbeiten zugleich eine bestimmte, scharf konturierbare Konzeption der Latinistik dargestellt wird. Textkritik und �erlieferungsgeschichte, Rezeptionsgeschichte, Mittel- und Neulatein: so lauten die drei gro�n Bl�cke, in die die insgesamt 24 Beitr� geteilt sind. Zweierlei ist bereits hiermit kenntlich: Diese Latinistik versteht sich als Wissenschaft, die die gesamte literarische Produktion in lateinischer Sprache verwaltet, ohne bestimmte Epochen aus ihrer Zust�igkeit zu entlassen. Sie ist ferner eine Disziplin, die philologische Methoden und literaturwissenschaftliche Fragestellungen verbindet; hier wird insbesondere die Rezeptions�hetik eingebracht und in der literarhistorischen Anwendung des Prinzips, da�die Bedeutung eines Textes in seiner Wirkung liegt (traditioneller Weise pflegte die Philologie diese Dimension mit dem Begriff �Nachleben� zu belegen), die �Rezeptionsgeschichte� als zentrales Untersuchungsfeld definiert. Ein solches Konzept der Latinistik entstand in den sechziger Jahren, als sich der Niedergang des humanistischen Bildungskonzepts und zumal des Altsprachenunterrichts an den Gymnasien abzuzeichnen begann. Manfred Fuhrmann inaugurierte mit seiner Konstanzer Antrittsvorlesung vom 24.1.1968 einen Neuentwurf, dessen Ausf�hrung zwar de facto die Aufgabe des Modells einer homogenen �Klassischen Philologie� bedeutete, in der Konsequenz aber die Latinistik (wie auch ihr Schwesterfach Gr�stik) zu einem kompatiblen Partnerfach der �brigen - neueren - Literaturwissenschaften werden lie� Dieses neue Konzept schuf eine Alternative zur Einordnung der Wissenschaften von der griechischen und r�mischen Literatur in einen Verband der Altertumswissenschaft(en), wie er am Ende des 19. Jahrhunderts unter dem Eindruck des Historismus entstand und etwa im ber�hmten Berliner Institut f�r Altertumskunde kulminierte. So ertragreich und sinnvoll ein solches Modell �Altertumswissenschaft� auch ist, so wenig kann geleugnet werden, da�die einzelnen F�er wesentliche Impulse aus anderen Disziplinen erhalten: die Arch�ogie aus der Kunstgeschichte, die Alte Geschichte aus der allgemeinen Geschichte und die beiden Philologien aus den Literaturwissenschaften. F�r die Latinistik stellt der vorliegende Band paradigmatisch dar, was nunmehr erreichbar ist. Ohne Preisgabe traditioneller philologischer Kompetenzen - siehe hier die exemplarischen Studien zur �erlieferungsgeschichte (Nr. 2-6) - und Aufgabenfelder (geradezu en passant werden substantielle Beitr� zu den �gro�n� Autoren wie Cicero, Horaz, Livius, Ovid, Claudian geliefert) werden die theoretischen Horizonte angesprochen, in denen die Latinistik sich jetzt bewegt (Nr. 7 u. 8), die Rezeptions�hetik in historischer Perspektivierung zugrundegelegt (Nr. 9-16) und schlie�ich in markanten �Fallstudien� exemplarische Bereiche des Mittel- und Neulatein er�rtert (Nr. 16-24). Die so umrissene Latinistik darf damit den Anspruch erheben, neben einem Kernfach der Altertumswissenschaft eine Disziplin zu sein, die einen unverzichtbaren Bestandteil im Spektrum der F�er darstellt, deren Gegenstand Mittelalter und Neuzeit bilden. Peter Lebrecht Schmidt wurde am 28. Juli 1933 in Dessau geboren. Als Angeh�riger der �b�rgerlichen Intelligenz� - sein Vater war Pfarrer - durfte er kaum darauf hoffen, unter dem SED-Regime, das in den f�nfziger Jahren zunehmend in die Belange der Universit�n eingriff, geeignete Studienbedingungen im �stlichen Teil Deutschlands zu finden, geschweige denn Zukunftsperspektiven. So w�te er, wie zahlreiche andere junge Menschen seiner Generation, den Weg in den Westen. Sein Studium begann in T�bingen, wo er in den Bann des jungen Walter Jens geriet. Eher der lateinischen Literatur zugewandt, zog es ihn bald zu Karl B�chner nach Freiburg, bei dem er 1959 mit einer Arbeit �ber Ciceros Schrift De legibus promoviert wurde. Mit Cicero war zugleich auch der Gef�te f�r Schmidts wissenschaftlichen Weg gefunden (das beigef�gte chriftenverzeichnis belegt dies), mit Cicero der �gro�� Autor gegeben, der als Klassiker den Philologen wie als Wirkungsmacht den Literaturwissenschaftler forderte. Die Habilitationsschrift (1969, publiziert 1974) vereint beide Perspektiven. Schmidt war inzwischen als Assistent Manfred Fuhrmanns via Kiel nach Konstanz gekommen, wo er sich beim Aufbau der neuen Universit�insbesondere um die Bibliothek, das Herzst�ck jeder geisteswissenschaftlichen Forschungsst�e, verdient machte. Hier gestaltete er als Hochschuldozent und seit 1973 als Professor f�r Latini-stik innerhalb der Fachgruppe Literaturwissenschaft das neue Konzept von Latinistik mit. Die Bedeutung der Sp�ntike als der f�r die Genese des Abendlandes entscheidenden Epoche, auf die Manfred Fuhrmann nachdr�cklich hingewiesen hat, exemplifizieren und beweisen zahlreiche Arbeiten Schmidts. Markant etwa artikulieren sich die kleine Claudian-Monographie von 1976 (Schriftenverzeichnis Nr. 25) und die herausragenden Beitr� zur sp�ntiken Historiographie (Schriftenverzeichnis Nr. 30 und 53). Hier ist auch der Ansatzpunkt f�r ein wissenschaftliches Gro�nternehmen, mit dem Peter Lebrecht Schmidts Name unaufl�slich verbunden ist: die Erneuerung des �Handbuchs der lateinischen Literatur der Antike�, des sogenannten �Schanz-Hosius�. Zusammen mit dem 1994 verstorbenen Reinhard Herzog fungierte Schmidt als Gesamtherausgeber, seit dem Tod des Kollegen in alleiniger Verantwortung. Nur die ihm Nahestehenden wissen, welche enorme Arbeitslast diese Herausgebert�gkeit bedeutet. Die von Schmidt selbst verfa�en Beitr� in den bislang erschienenen B�en 4 und 5, deren Akribie und souver� Materialbeherrschung erstaunt, k�nnen von der aufgewendeten Arbeit nur eine unzureichende Vorstellung geben. Neben den Arbeiten zur Sp�ntike mu�e f�r den vorliegenden Band aus Platzgr�nden auch auf eine ad�ate Repr�ntation eines weiteren Forschungsschwerpunkts verzichtet werden, der Wissenschaftsgeschichte (siehe Schriftenverzeichnis Nr. 45, 57, 66, 74). Dies ist bedauerlich, da Schmidt in diesen Arbeiten eine pointiert-zugespitzte Analyse der Geschichte des Faches Latinistik entwirft, deren Resultate implizit auf das in diesem Band pr�ntierte Konzept von Latinistik verweisen. Mit dem Sommersemester 1998 endete die offizielle Lehrt�gkeit Peter Lebrecht Schmidts an der Universit�Konstanz. Im Laufe von mehr als 30 Jahren hat Schmidt unz�ige Studierende im akademischen Unterricht wie auch im pers�nlichen Gespr� mit den Grundlagen seines Faches vertraut gemacht, in die Wissenschaft eingef�hrt und sie zum selbst�igen Weiterdenken und -forschen angeregt. Vielleicht ist nun dieser Band seiner Schriften geeignet, nicht nur die Fachkollegen zur Auseinandersetzung mit den hier vertretenen Positionen zu stimulieren, sondern auch Studierende der Latinistik (und anderer F�er) zum Weiterdenken der gegebenen Anst�� und damit zu einer Fortsetzung der wissenschaftlichen Arbeit im gro�n Feld der Latinistik zu bewegen. Abschlie�nd sei all denen gedankt, ohne deren Mithilfe dieser Band nicht zustande gekommen w�: Julia Sonntag (Freiburg), Samira Kalkowski (M�nchen), Ralf Kelling, Simone und Stefano Marino (Konstanz), insbesondere aber Martin Dierolf, der kompetent und zuverl�ig die Herstellung der Druckvorlagen besorgte. Dem Franz Steiner Verlag und seinem Gesch�sf�hrer Herrn Vincent Sieveking schlie�ich sind wir f�r die vorbildliche Zusammenarbeit zu Dank verpflichtet. ISBN 9783515076630